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THEMA: Die fette alte Kuh – das beste Fleisch der Welt?

Die fette alte Kuh – das beste Fleisch der Welt? 8 Jahre 2 Monate her #1061

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Ein Erfahrungsbericht von DAVID SEITZ

Eine fette alte Kuh lag vor einigen Tagen auf meinem Teller. Besser gesagt ein Teil von ihr. Knapp 60 Euro kostete das kiloschwere Txogitu Strip Loin, das ich von den Genusshandwerkern orderte- und vorneweg: Keinen Cent davon habe ich bereut. Ich hatte viel davon gelesen, hatte bereits die ein oder andere aromatische Vorahnung und war doch völlig ahnungslos, als ich das Steak voller Respekt aus seiner Vakuumhülle befreite. Es verschob meine Fleisch-Dimensionen nachhaltig.



ine fette alte Kuh lag vor einigen Tagen auf meinem Teller. Besser gesagt ein Teil von ihr. Knapp 60 Euro kostete das kiloschwere Txogitu Strip Loin, das ich von den Genusshandwerkern orderte- und vorneweg: Keinen Cent davon habe ich bereut. Ich hatte viel davon gelesen, hatte bereits die ein oder andere aromatische Vorahnung und war doch völlig ahnungslos, als ich das Steak voller Respekt aus seiner Vakuumhülle befreite. Es verschob meine Fleisch-Dimensionen nachhaltig.



Txogitxu und das Fleisch der fetten alten Kuh

Was steckt hinter dem Trend, Fleisch von einer „Omakuh“ als Delikatesse anzubieten? Ist es tatsächlich, wie so oft proklamiert, das beste Fleisch der Welt? Lässt sich die fette alte Kuh überhaupt mit den bisherigen Premium-Marken Wagyu oder Kobe vergleichen?

Hinter dem Label „Txogitxu“ (ausgesprochen „Tschotschitschu“) steckt eine baskische Großmetzgerei, gegründet von Imanol Jaca – der Mann, der oben im Bild sein Fleisch anschmachtet. Seine Betrieb hieß bereits „Txogitxu“, als sich – bis auf ein paar baskische Bauern – noch kein Mensch für das Fleisch der fetten alten Kuh interessierte. Im Baskenland hat es Tradition, Kühe lange Zeit am Leben zu lassen. Das heißt nicht, dass die Tiere in dieser Zeit nicht genutzt werden. Die Kühe geben Milch und werfen jährlich ein Kalb, doch im krassen Gegensatz zum hierzulande geltenden Qualitätsmerkmal „Jungbullen“ schwört man im nördlichsten Zipfel Spaniens auf das Fleisch betagter Mutterkühe.

Als Imanol Jaca vor einigen Jahren begann, dieses Fleisch auch außerhalb seiner Region zu vermarkten, entstand darum ein Hype, der sich höchstens mit dem Trend der „Dry Aged“-Reifung vergleichen lässt. Eine kleine Revolution der Fleisch-Genusswelt bahnte sich an, denn das hohe Alter eines Tiers war bis dato kein Grund, sich auf ein Steak zu freuen. Zäh, fettig, tranig waren Attribute, die man damit in Verbindung brachte. Doch dann erreichten die ersten euphorischen Erfahrungsberichte Blogs und Feinschmecker-Magazine.



Die Aussagen ähnelten sich: Ein Geruch nach Heu, Sahne, Buttermilch. Ein dicker Rand aus schmelzendem Fett. Ein intensiv nussiger Geschmack voll Butter-Aromen. Umami-Fleisch. Es war die Geburtsstunde einer Delikatesse. Denn: Wenn etwas so Altvertrautes wie Rindfleisch plötzlich vollkommen neuartig schmeckt, dann ist das nicht weniger als eine kulinarische Sensation. Die Tatsache, dass die fette alte Kuh auch noch das moralisch einwandfreie Gegenstück zur ausgelaugten Turbokuh abgibt, trug seinen Teil dazu bei. Doch Vorsicht.

Allzu schnell verfällt man beim Gedanken an die Oma-Kuh in romantisch-kulinarische Tagträumereien. Unweigerlich entsteht ein Bild – von der betagten Kuh, auf einer Weide im Baskenland, wie sie geradezu danach lechzt, endlich ihr langes Leben beenden zu dürfen, um trockengreift als rare Delikatesse in einem kleinen baskischen Traditionsbetrieb weiterzuleben. Ganz so einfach ist es allerdings nicht.

Txogitu ist kein kleines Unternehmen (mehr) und das Bekenntnis zur Regionalität kennt auch dort seine Grenzen. Imanol Jaca importiert alte Kühe aus anderen Regionen Spaniens, aus Portugal, Deutschland und Polen, um sie unter seinem Label zu verkaufen. Die Bedingungen sind jedoch streng: Es müssen Kühe sein, die mindestens 16 Jahre auf einer Hochlandweide standen und somit Fleisch von höchster Qualität garantieren. Wer also fette alte Kuh kauft, bekommt genau das. Man darf nur nicht erwarten, dass tatsächlich eine baskische Kuh auf dem Teller liegt.

Auch die legendären Kobe-Rinder, die aus Japan stammen, kommen dort in den Genuss einer längeren Lebenszeit. An die feinadrige Marmorierung eines Kobe-Rinds kommt eine „normale“ fette alte Kuh allerdings nicht heran. Auch nicht an dessen unfassbar zarte Konsistenz. Die Vorzüge der fetten alten Kuh: Sie ist in der Regel noch einmal deutlich älter und bringt dadurch noch mehr vom einzigartig neuen Geschmack mit. Zweitens – der Preis. Der liegt deutlich unter den absurden Summen, die für Kobe-Rindfleisch abgerufen werden.




Der Erfahrungsbericht

Ich versuchte, der fetten alten Kuh möglichst unvoreingenommen zu begegnen, doch beim Öffnen der Vakuumverpackung waren plözlich all die blumigen Beschreibungen, die ich vorab gelesen hatten, wieder da. Das war auch gut so, denn im ersten Moment schlug mir ein überwältigender Geruch entgegen, den ich ohne semantische Hilfestellung nicht in mein bisheriges Fleisch-Muster einordnen hätte können. Ein intensiver Geruch, jedoch kein Gestank. Keine säuerliche Note. Sahne war die erste Assoziation von meiner Seite. Spannend war die Aussage meiner Freundin, die den Duft als „wie im Löwenkäfig“ bezeichnete.

Damit lag sie – wenn auch etwas ungewöhnlich ausgedrückt – sehr nah an dem, was ich auch roch. Heu, Sahne, Fleisch – und das in einer ungewohnt heftigen Intensität. Bald duftete die gesamte Küche nach dem Txogitxu-Steak. Um wirklich keinen Zentimeter Qualität zu verschenken, entschloss ich mich, die fette alte Kuh Sous-vide zu garen und anschließend in meiner Eisenpfanne scharf anzubraten. Ein Grill wäre dem guten Stück angemessener gewesen. Leider war das an diesem Tag nicht möglich.



Rückblickend muss ich sagen: Der wirklich überwältigende Moment ist der, des ersten Nasenkontakts. In diesem Moment öffnete sich bei mir eine neue Schublade im Spektrum der Fleischaromen. Der Geschmack knüpft exakt daran an. Die Intensität und die vollkommen neuartigen Nuancen im Fleisch (die eigentlich zu stark sind, um noch als „Nuancen“ durchzugehen) sind absolut beeindruckend. Die Konsistenz des Roastbeefs schwankte leider zwischen butterzart und knorpelig. Einige Stücke konnten wir nicht essen, doch die zarten waren mein persönliches Geschmackserlebnis der vergangenen zwei Jahre. Ähnlich beim Fett: Einige sehr zähe, sehnige Teile. Der Teil, den man so buttergelb oben links im Bild sehen kann, schmolz jedoch im Mund und brachte alle Geschmacksknospen zum Schreien – sogar ohne jegliche Zusatz-Würze.

Ist es nun das beste Fleisch der Welt? Innerhalb meines noch recht beschränkten Erfahrungshorizonts schon. Es ist ein extrem hochwertiges Produkt, das mir eine vollkommen neue Geschmackswelt eröffnete. Mein Fazit: Wer sich vor horrenden Summen für Kobe-Fleisch scheut, steigt mit der fetten alten Kuh deutlich günstiger ein – in eine Fleisch-Welt, weit abseits der ausgetretenen Rindfleisch-Pfade.
Wir können das Mögliche nur erreichen, indem wir das Unmögliche versuchen.
Letzte Änderung: 8 Jahre 2 Monate her von TBA.
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